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Sueton

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Herodot

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Neros Ende

Kapitel 47 - 50

Inzwischen war die Nachricht eingetroffen, daß sich auch die übrigen Heere der Rebellion angeschlossen hätten. Er zerriß die Depeschen, die man ihm beim Mittagessen übergeben hatte, in kleine Stücke, stieß den Tisch um und schmetterte zwei Pokale zu Boden, die ihm besonders lieb waren und die er die Homerischen nannte, weil auf ihnen Szenen aus Homer eingraviert waren. Dann ließ er sich von Locusta Gift bringen, tat es in ein goldenes Döschen und begab sich hinüber in den Servilischen Park. Von hier aus sandte er seine treuesten Freigelassenen nach Ostia voraus, um die Flotte zur Ausfahrt rüsten zu lassen, und suchte die Tribunen und Zenturionen der Prätorianergarde zu bereden, ihn auf seiner Flucht zu begleiten. Aber die einen machten Ausflüchte, die anderen weigerten sich ganz offen, und einer rief sogar laut aus: Ist denn das Sterben so schlimm?
Daraufhin schwankte er zwischen verschiedenen Plänen hin und her: ob er sich schutzflehend an die Parther oder an Galba wenden solle, ob er in Trauerkleidern vors Volk treten und von der Rostra herab mit allen ihm zu Gebote stehenden Mitteln an das Mitleid appellieren und Verzeihung für seine früheren Taten erbitten solle. Und wenn er die Menge nicht erweichen könnte, ob er dann nicht wenigstens um die Statthalterschaft von Ägypten bitten solle. Man hat später wirklich in seinem Schreibpult unter seinen Papieren eine zu diesem Zweck ausgearbeitete Rede gefunden. Er gab diesen Plan aber wieder auf; er befürchtete wohl, das Volk werde ihn in Stücke reißen, ehe er noch das Forum erreicht hätte.
So verschob er denn seinen Entschluß auf den nächsten Tag, wurde aber um Mitternacht aus dem Schlaf aufgeschreckt und erfuhr, daß die Palastwache abgezogen sei. Er sprang aus dem Bett und schickte nach seinen Freunden. Als er von keinem eine Antwort erhielt, machte er sich selbst mit wenigen Begleitern nach den Wohnräumen der einzelnen auf. Er fand sämtliche Türen verschlossen, niemand gab Antwort. Da kehrte er in sein Schlafgemach zurück, aus dem bereits die Kammerdiener geflohen waren, nachdem sie zuvor noch die Bettdecken an sich gerafft und sogar das Döschen mit dem Gift mitgenommen hatten. Er ließ sogleich nach dem Gladiator Spiculus oder irgendeinem anderen guten Fechter schicken, um sich von dessen Hand den Tod geben zu lassen. Aber es war niemand zu finden, und er rief aus: »Habe ich denn weder Freund noch Feind?« und eilte aus dem Palast, als ob er sich in den Tiber stürzen wollte.
Indessen besann er sich ebenso plötzlich wieder anders und sprach den Wunsch nach einem abgelegenen Zufluchtsort aus, wo er wieder zu sich kommen könne. Sein Freigelassener Phaon bot ihm sein Landgut an, das in der Nähe der Stadt zwischen der Salarischen und der Nomentanischen Straße etwa am vierten Meilenstein gelegen war. So wie er war, barfuß und nur mit der Tunika bekleidet, warf er einen alten, verblichenen Mantel über, zog die Kapuze über den Kopf, band sich ein Tuch vors Gesicht und sprang aufs Pferd, nur vier Leute begleiteten ihn, darunter Sporus. Ein Erdstoß und ein Blitz, der gerade vor ihm niederfuhr, versetzten ihn in Schrecken, und zur gleichen Zeit hörte er vom nahen Lager her das Geschrei der Soldaten, die aus diesem Vorzeichen ihm den Untergang und dem Galba Glück prophezeiten. Dazu hörte er von entgegenkommenden Reisenden einen sagen: »Die verfolgen den Nero!«, und ein anderer wollte wissen: »Was gibt es in der Stadt Neues über Nero?« In dem Augenblick scheute sein Pferd vom Gestank eines Leichnams, der auf der Landstraße lag, das Tuch fiel ihm vom Gesicht, und ein ausgedienter Prätorianer erkannte und grüßte ihn.
Als sie an dem Zufahrtsweg angekommen waren, ließen sie die Pferde laufen, und Nero gelangte durch Gebüsch und Dorngestrüpp auf einem Fußpfad durchs Röhricht endlich zur Rückwand des Hauses, und auch das nur mit vieler Mühe und nur mit Hilfe von Kleidungsstücken, die man ihm unter die Füße breitete. Hier angelangt, redete ihm der vorher erwähnte Phaon zu, sich zunächst einmal in einer Sandgrube zu verstecken. Er lehnte das aber mit der Begründung ab, er wolle nicht schon zu Lebzeiten unter die Erde gehen. Er mußte eine Weile warten, während man heimlich einen Zugang zur Villa grub, und um seinen Durst zu stillen, schöpfte er sich mit der Hand Wasser aus einer nahen Pfütze. »Das ist jetzt Neros Eisgetränk'!« sagte er dabei.
Dann kroch er in seinem von Dornen zerrissenen Mantel durchs Gestrüpp, zwängte sich auf allen Vieren durch ein enges Loch, das man gegraben hatte, und gelangte so in die nächstliegende Kammer. Hier warf er sich auf das Lager, das aus einer schäbigen Matratze bestand, über die ein alter Mantel geworfen war. Mittlerweile bekam er Hunger und wieder Durst, wies aber das Schwarzbrot zurück, das man ihm anbot, von dem lauwarmen Wasser trank er dagegen eine ganze Menge.
Als nun seine Begleiter einer nach dem andern in ihn drangen, er solle sich doch möglichst rasch der drohenden Schmach entziehen, gab er den Befehl, vor seinen Augen ein Grab zu graben, das seinem Körpermaß angepaßt war, und womöglich ein paar Stücke Marmor zusammenzubringen, dazu Wasser und Holz bereitzustellen, um seinem Leichnam sogleich die letzte Ehre zu erweisen. Während dieser Anordnungen vergoß er Tränen und brach immer wieder in die Worte aus: »Welch ein Künstler geht mit mir zugrunde!«
Während er so die Zeit hinzog, kam ein Kurier Phaons mit einigen Depeschen an. Er riß sie ihm aus der Hand und las, der Senat habe ihn zum Staatsfeind erklärt und fahnde nach ihm, um an ihm nach der Sitte der Vorfahren die Strafe zu vollstrecken. Da fragte er, was das für eine Strafe sei, und erfuhr, der Verurteilte werde dabei nackt mit dem Hals in das Gabelholz geschlossen und mit Ruten zu Tode gepeitscht. Entsetzt ergriff er zwei Dolche, die er mitgenommen hatte, prüfte bei beiden die Spitze und steckte sie wieder ein, mit der Begründung, die Schicksalsstunde sei noch nicht gekommen. Dann forderte er mehrmals den Sporus auf, die Totenklage anzustimmen, dann bat er wieder, es möge ihm doch einer beim Selbstmord Hilfestellung leisten und es ihm vormachen. Dazwischen schalt er sich wieder wegen seines Zauderns und rief aus: »Daß ich noch lebe, ist eine Schmach und Schande! — Das ziemt sich nicht für einen Nero, nein, das ziemt sich wirklich nicht! — In solcher Lage gilt's, besonnen zu sein! — Auf, faß dir ein Herz!« Und schon sprengten die Reiter heran, die den Befehl hatten, ihn lebend zu fangen. Als er sie kommen hörte, sprach er in Todesangst den Homerischen Vers:
Donnernd schallt mir zu Ohren der Hufschlag eilender Rosse! und stieß sich den Dolch in die Kehle, wobei ihm sein Kabinettsekretär Epaphroditus Hilfestellung leisten mußte.
Er war schon fast tot, als der Centurio herbeistürzte und seinen Mantel auf die Wunde preßte, um ihn glauben zu machen, er sei ihm zu Hilfe gekommen. Da konnte er noch die Worte hervorbringen: »Zu spät!« und: »Das ist Treue!« Mit diesen Worten starb er, während ihm zum schaudernden Entsetzen der Umstehenden die Augen weitgeöffnet aus den Höhlen traten. Seine inständigste und dringendste Bitte an seine Begleiter war es gewesen, sie sollten nicht zulassen, daß ihm der Kopf abgeschlagen würde. Sie sollten vielmehr seine Leiche unter allen Umständen unverstümmelt verbrennen. Dies wurde auch gestattet, und zwar von Icelus, dem Freigelassenen des Galba, der zu Beginn des Aufstands ins Gefängnis geworfen und eben erst befreit worden war.
Nero wurde mit einem Kostenaufwand von 200 000 Sesterzen beigesetzt. Man hüllte ihn in den weißen, golddurchwirkten Ornat, den er am ersten Januar getragen hatte. Seine Gebeine bestatteten Egloge und Alexandria, seine Kinderfrauen, zusammen mit Acte, seiner Mätresse, in der Familengrabstätte der Domitier, die man vom Marsfeld aus hoch droben auf dem Gartenhügelsehen kann. In diesem Grabmal befindet sich sein Sarkophag aus Porphyr, darüber ein Altar aus Carraramarmor und ringsherum eine Einfassung aus thasischem Marmor.