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Polykrates Ring
Drittes Buch,
Kapitel 39-43
Zu der Zeit, als Kambyses gegen Ägypten zog, machten auch die Lakedaimonier einen Feldzug gegen Samos und
Polykrates, Aiakes' Sohn, der sich erhoben und Samos in seine Hand gebracht hatte. Zuerst teilte er die Stadt in drei Teile und wies zwei davon seinen Brüdern Pantagnotos und
Syloson zu, dann aber tötete er den einen und vertrieb Syloson, den jüngeren, und nun war er Herr über ganz Samos, und als solcher schloß er einen Bund der Gastfreundschaft mit
Amasis, dem König Ägyptens, und sandte ihm Geschenke und empfing welche von ihm. Kurze Zeit verging, und schon wuchs Polykrates' Macht, und man sprach von ihr überall in Jonien und sonst in Hellas. Denn er konnte in den Krieg ziehen wohin er wollte, es glückte ihm alles. Einhundert Fünfzigruderer, besaß er und tausend Bogenschützen. In aller Welt plünderte er und führte die Leute davon und verschonte niemand. Denn er gewinne eher Freunde und ihren Dank, war sein Wort, wenn er ihnen etwas nehme und dann wiedergebe, als wenn er's gar nicht erst nehme. Zahlreiche Inseln hatte er schon gewonnen und viele Orte auf dem Festland. Wie andere überwand er, in einer Seeschlacht, auch die Lesbier, die mit ihrem ganzen Aufgebot Milet zu Hilfe kamen, und nahm sie gefangen; die hoben den ganzen Graben um die Mauer auf Samos aus, in Ketten gebunden.
Und wie es so geht, blieb Polykrates' großes Glück auch Amasis nicht verborgen, doch gab es ihm zu denken. Und als dessen Glück immer größer und größer wurde, schrieb er diesen Brief und sandte ihn nach Samos: «Amasis spricht also zu Polykrates. Es ist angenehm zu vernehmen, daß es einem lieben Gastfreund wohl geht, mir aber will dein großes Glück nicht gefallen; denn ich weiß, daß das Göttliche neidisch ist. Ich habe es lieber, daß mir und denen, die mir am Herzen liegen, das eine glücklich gelingt, anderes aber fehlschlägt, und ich in solchem Wechsel meine Tage verbringe, als daß mir alles glückt. Denn noch habe ich von keinem gehört und weiß von niemand, der nicht schließlich ein schlimmes Ende fand, wenn ihm alles geglückt war. Du aber folge mir nun und tu etwas gegen dein Glück, etwa dies: Überleg's dir und such etwas aus, was dir das Teuerste ist, und dessen Verlust dir am meisten wehtut, und das wirf fort, und zwar so, daß es nie wieder auftaucht unter den Menschen. Und wenn danach Glück und Leid dir noch nicht im Wechsel begegnen,
behandle dich weiter mit dem Verfahren, das ich dir empfehle.»
Polykrates las das aufmerksam und sah wohl ein, daß Amasis ihm eine gute Empfehlung gab, und dann suchte er nach einer Kostbarkeit, deren Verlust seinem Herzen wohl den größten Kummer machen würde, und fand beim Suchen dieses: Er hatte einen Siegelring, den er stets trug, in Gold gefaßt, der Stein ein Smaragd, und war eine Arbeit des
Theodoros, Telekles' Sohn, von Samos. Als er sich nun entschlossen hatte, diesen fortzuwerfen, machte er folgendes. Er bemannte einen Fünfzigruderer, bestieg ihn und befahl, hinauszufahren auf die hohe See; und als er weit von der Insel weg ist, zieht er den Ring vom Finger und wirft ihn vor den Augen der ganzen Mannschaft ins Meer. Dann fuhr er davon, und als er wieder zu Hause war, fühlte er sich wirklich unglücklich.
Am fünften oder sechsten Tage danach aber geschah ihm das Folgende. Ein Fischer hatte einen großen, prächtigen Fisch gefangen und meinte, der verdiene es, Polykrates als Geschenk überreicht zu werden. Er brachte ihn also an das Tor und sagte, er möchte gern Polykrates persönlich sprechen, und als der ihm das gestattete, überreichte er den Fisch und sprach: «Mein König, ich habe mir, als ich den hier fing, gedacht, den solltest du nicht auf den Markt bringen, obwohl ich von meiner Hände Arbeit leben muß, sondern er schien mir nur deiner würdig und deiner Herrschaft. Dir bringe und schenke ich ihn also.» Er aber freute sich der Worte und erwiderte: «Da hast du recht daran getan und mich doppelt zu Dank verpflichtet, mit deinen Worten und deinem Geschenk; und wir laden dich zu Tisch.» Der Fischer fühlte sich hoch geehrt und ging nach Hause, den Fisch aber schneiden die Diener auf und finden in seinem Magen Polykrates' Ring. Und wie sie ihn erblickten, nahmen sie ihn und brachten ihn sogleich voller Freude zu Polykrates, gaben ihm den Ring und
erzählten, wie er gefunden war. Da geht ihm auf, daß hier eine höhere Fügung am Werk ist, und er schreibt in einem Brief alles, was er getan und was sich begeben, und als er's geschrieben, sandte er ihn ab nach Ägypten.
Als aber Amasis diesen Brief von Polykrates las, sah er ein, daß es nicht in der Macht eines Menschen steht, einen Menschen zu bewahren vor dem, was da kommen soll, und daß es kein gutes Ende nehmen sollte mit Polykrates, dem alles zum Guten ausschlägt, der auch, was er wegwirft, wiederfindet. Und er sandte einen Herold nach Samos und kündete die Gastfreundschaft auf. Das tat er darum, daß er nicht selber, wenn den Polykrates ein furchtbares und gewaltiges Schicksal ereilte, Schmerzen hätte in seiner Seele, weil er sein Gastfreund war.
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