Index.htm  Herodot

 

Herodot

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

zurück

 

Umschiffung Afrikas

Viertes Buch, Kapitel 42/43

Ich wundere mich also über die Leute, die abgrenzen und einteilen in Libyen und Asien und Europa. Denn die Unterschiede im Ausmaß sind doch nicht so gering. Denn in der Länge kommt Europa beiden zusammen gleich, und in der Breite lohnt es sich gar nicht, die mit ihm zu vergleichen. Denn Libyen läßt es nicht im unklaren, daß es ringsum Meer hat, das Stück ausgenommen, wo es an Asien angrenzt.
Nekos, König von Ägypten, hat das als erster, soviel wir wissen, erwiesen. Er stellte damals das Graben an dem Kanal, der vom Nil in die Arabische Bucht führen sollte, ein und schickte Phönizier auf Schiffen aus mit dem Auftrag, den Rückweg durch die Säulen des Herakles zu nehmen und so lange zu fahren, bis sie ins nördliche Meer kämen und so zurück nach Ägypten. Die Phönizier fuhren also ab vom Roten Meer und befuhren das Meer im Süden. Wenn es Herbst wurde, gingen sie an Land und säten Korn, irgendwo in Libyen, wo sie gerade waren, und warteten die Ernte ab. Wenn sie dann das Korn gemäht hatten, fuhren sie wieder ab, und so vergingen zwei Jahre, und im dritten bogen sie um die Säulen des Herakles und kamen an in Ägypten. Und sie haben etwas erzählt, was ich zwar nicht recht glauben kann, aber vielleicht ein anderer, nämlich sie hätten, als sie um Libyen herumbogen, die Sonne zur Rechten gehabt.
So hat man zum erstenmal von der Umschiffbarkeit Libyens Kenntnis bekommen. 

Später aber noch einmal, durch Karthager, wie die erzählen. Denn Sataspes, der Sohn des Teaspis, ein Achaimenide, ist nicht um Libyen herumgefahren, sondern er bekam Angst vor der Länge der Fahrt und der Verlassenheit des Landes und kehrte um und vollendete die Arbeit nicht, die seine Mutter ihm auferlegt hatte. Er hatte nämlich der Tochter des Zopyros, des Sohnes des Megabyzos, Gewalt angetan. Wegen dieser Schuld wollte König Xerxes ihn hinrichten durch Pfählen, die Mutter des Sataspes aber, die Dareios' Schwester war, bat um sein Leben und sagte, sie selber werde ihm eine schwerere Strafe auferlegen als er. Denn er solle genötigt werden, um Libyen zu fahren, bis er herum sei und in den Arabischen Golf komme. Als Xerxes ihm unter dieser Bedingung das Leben schenkte, ging Sataspes nach Ägypten und nahm von da Schiff und Besatzung und fuhr zu den Säulen des Herakles, dort hindurch und um das Kap in Libyen, das Soloeis heißt, weiter nach Süden. Als er nun viele Monate lang an vielen Küsten vorübergefahren war und es immer noch weiter ging, kehrte er um und segelte zurück nach Ägypten. Von dort kam er zum König Xerxes und erzählte, wie sie weit, weit in der Ferne an Menschen vorbeigekommen seien, die klein waren und mit Palmblättern bekleidet, und die seien, sooft sie mit dem Schiff anlegten, in die Berge geflohen und hätten ihre Orte verlassen; sie aber hätten diese Orte aufgesucht, jedoch nichts zerstört, nur Vieh herausgeholt. Daß sie nicht ganz um Libyen herum kamen, dafür gab er als Grund an, das Schiff habe nicht mehr vorwärts kommen können, sondern sei festgehalten worden im Meer. Xerxes aber glaubte ihm nicht, daß er die Wahrheit sagte, und weil er die aufgetragene Arbeit nicht abgeschlossen hatte, vollstreckte er das erste Urteil und ließ ihn an den Pfahl schlagen. Ein Eunuch dieses Sataspes entwich nach Samos, gleich als er erfuhr, daß sein Herr umgekommen war, und nahm große Schätze mit; die eignete sich ein Samier an; dessen Namen weiß ich wohl, will ihn aber lieber verschweigen.