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Verfassungsdebatte

Nachdem die Perser sich der Fremdherrschaft der Mager entledigt hatten, berieten sie, welche Staatsform für Sie die passende sei.

Drittes Buch, Kapitel 80/83

Als das Getümmel sich nun gelegt hatte und fünf Tage um waren, berieten die Sieben, die sich gegen die Mager erhoben hatten, über den Staat im ganzen, und da wurden Reden gehalten, die einigen Hellenen unglaubwürdig scheinen, gehalten wurden sie immerhin.
Otanes schlug vor, man solle die Regierung den Persern insgesamt in die Hände legen, und sprach:
«Ich bin der Meinung, ein einziger von uns sollte nicht wieder Alleinherrscher werden. Denn das ist weder erfreulich noch gut. Denn ihr kennt Kambyses' Überhebung, wie weit sie ging, und habt zu kosten bekommen die Überhebung des Magers. Wie kann auch Alleinherrschaft eine wohlbestellte Ordnung sein, sie, der es erlaubt ist, ohne Rechenschaft zu tun, was ihr beliebt? Denn gelangte auch der beste aller Menschen zu solcher Macht, sie stellte ihn außerhalb alles gewohnten Denkens. Denn in ihm wächst Überhebung, aus der Fülle, in der er steht, die Mißgunst aber ist von Anbeginn dem Menschen eingepflanzt. Hat er aber diese zwei, hat er alles Schlimme miteinander. Denn nun, übersättigt und voll Überhebung, tut er vieles Entsetzliche, anderes aber aus Mißgunst. Und doch sollte ein unbeschränkter Herr frei sein von Mißgunst, wo er ja alles hat; aber grade das Gegenteil ist seine Wesensart den Mitbürgern gegenüber. Denn er mißgönnt es den Besten, daß sie wohl und am Leben sind, und hat seinen Gefallen an den Schlechtesten im Volk, Verleumdungen aber zu glauben, darin ist er der Beste. Das Ungereimteste aber von allem: Lobst du ihn, aber mit Maßen, so wird er verstimmt und böse, daß er nicht kräftig genug gefeiert wird, feiert ihn aber wer kräftig, so wird er böse und verstimmt, weil man nur schmeichle. Das Schlimmste aber kommt noch! Ererbte Satzungen erschüttert er, tut den Frauen Gewalt an, tötet ohne Urteil und Recht. Herrscht aber die Gemeinde, trägt das erstens den schönsten aller Namen: gleiches Recht, und zweitens, alles was der Alleinherrscher tut, das tut sie nicht; nach dem Los besetzt sie die Ämter, ist Rechenschaft schuldig über die Leitung, und alle Beschlüsse bringt sie vor die Gemeinschaft. Darum ist meine Meinung, wir lassen von der Alleinherrschaft und stärken die Gemeinde. Denn im Vielen steckt das Ganze.»
Otanes also trug diese Meinung vor, Megabyzos aber schlug vor, man solle sich der Herrschaft Weniger anvertrauen, und sprach:
«Was Otanes sagt, wir sollten keinen unumschränkten Herrn mehr haben, das mag für mich mitgelten, daß er aber empfiehlt, die Macht an das Volk zu geben, da hat er die beste Meinung nicht getroffen. Denn nichts ist unverständiger, nichts überheblicher als so ein unnützer Haufe. Sind wir der Anmaßung und Willkür eines Herrn eben entgangen, nur um der Willkür einer zügellosen Menge in die Hände zu fallen ? Das wäre doch ganz unerträglich. Denn tut jener etwas, so weiß er wenigstens, was er will, der Menge aber fehlt selbst dieses Wissen. Wie sollte sie's denn auch wissen, wo sie im Rechten weder unterwiesen ist noch es von selbst aus eigner Kraft je sah, sondern sie fällt über die Angelegenheiten her und stößt sie vor sich her, ohne Verstand, einem Sturzbach im Unwetter gleich. Wer es also mit den Persern schlecht meint, der setze auf das Volk, wir aber sollten eine Gruppe der besten Männer auswählen und die mit der Gewalt bekleiden; denn unter denen werden auch wir selber sein, und von den besten Männern sind gewiß die besten Entscheidungen zu erwarten.»
Megabyzos also trug diese Meinung bei, als dritter aber legte Dareios seine Meinung dar und sprach:
«Ich meine, was Megabyzos sagte zu der Herrschaft der Menge, war gut gesprochen und richtig, das aber zur Herrschaft der Wenigen war es nicht. Denn von den drei Arten, die wir vor uns haben, und nehmen wir an, jede in ihrer vollkommensten Form, die beste Volksgemeinde, die beste Herrschaft Weniger, die beste Alleinherrschaft, von denen ragt, behaupte ich, die letzte weit heraus. Denn Besseres kann man nicht finden als den einen Mann, der der Beste ist. Denn er hat auch das beste Urteil und wird so für das Wohl des Volkes sorgen ohne Tadel, und was zu beschließen ist gegen Feinde, wird so am wenigsten verraten. Bei der Herrschaft Weniger aber, wo viele sich anstrengen, ihre Tüchtigkeit und ihr Verdienst für das Gemeinwohl zu zeigen, pflegen heftige Feindschaften unter den Einzelnen zu entstehen. Denn jeder will selber der Vorderste sein und siegen mit seiner Meinung, und darum geraten sie in große gegenseitige Feindschaften, und daraus entstehen rücksichtslose Parteiungen, aus den Parteiungen Mord, aus dem Mord aber kommt es gewöhnlich zur Herrschaft eines Einzelnen, und daran erweist sich, daß das weitaus das beste ist. Wiederum, wenn das Volk regiert, so ist es gar nicht anders möglich, es muß das Schlechte sich eindrängen. Ist nun aber das Schlechte erst einmal eingedrungen in das Gemeinwesen, so bilden sich zwar keine Feindschaften unter den Schlechten, wohl aber feste Freundschaften; denn die das Gemeinwesen verderben, die stecken unter einer Decke bei ihrem Treiben. Auf die Art geht es so lange, bis endlich einer aus dem Volk hervortritt und diesen Kerlen das Handwerk legt. Darum aber wird der nun vom Volk bewundert, und wird er erst einmal bewundert, nicht lange und er steht da als Alleinherrscher, und damit beweist es auch der, Alleinherrschaft ist das stärkste. Mit einem Wort aber, alles zusammengefaßt: Woher kam unsre herrliche Freiheit? Und wer gab sie ? Etwa vom Volk oder von der Oligarchie ? Oder von einem Herrn allein? Ich halte also fest an der Meinung, wir, die durch einen Mann freie Herren geworden sind, sollen solche Art aufrechthalten, und außerdem, wir wollen der Väter Brauch nicht abschaffen, der gut ist und recht; denn das taugt nichts.»
Diese drei Meinungen also standen zur Wahl, die andern vier aber von den Sieben traten der letzten bei.
Als aber Otanes, der für gleiche Rechte unter den Persern eintrat, unterlag mit seiner Meinung, sprach er zu den Versammelten wie folgt: «Ihr Männer, liebe Kampfgefährten! Es ist klar, daß einer von uns König werden muß, sei es daß ihn das Los dazu bestimmt oder wir der Gemeinde der Perser überlassen, wen die wählt, oder auf sonst einem Weg. Ich für meinen Teil aber trete nicht an gegen euch; denn ich wünsche weder zu herrschen noch beherrscht zu werden. Ich stelle aber eine Bedingung, wenn ich ausscheide als Bewerber um die Herrschaft, nämlich die, daß keiner von euch mein Herr sein soll, nicht meiner noch der meiner Nachkommen auf alle Zeit.» Als auf diese seine Worte die Sechs diese Bedingung zugestanden, trat er nicht mehr an gegen sie, sondern schied aus ihrer Mitte aus. Und bis zum heutigen Tag ist dies das einzige freie Haus unter den Persern und untersteht dem Befehl nur soweit, wie es selber will, nur daß es die Satzungen der Perser nicht übertritt.